Wenn wir vom Thema Pflege sprechen, wird eine Gruppe der Pflegekräfte schnell vergessen und das sind die Angehörigen. Die vielen Menschen, die sich täglich zu Hause um Eltern und Partner kümmern, haben keine echte Lobby. Organisation und zeitliche Einteilung der Pflege wird oft in Eigenregie übernommen. Bei vielen Kindern und Partnern, die die häusliche Pflege übernommen haben, geht das Kümmern an die körperlichen und mentalen Grenzen. Ein großes Problem ist häufig, dass ein Pflegefall plötzlich auftritt.
Wenn nach einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt alles anders ist, muss schnell gehandelt werden. Schleichende Krankheiten, wie zum Beispiel Demenz, werden erst auffällig, wenn eine Unterstützung im Alltag schon dringend notwendig ist. Entscheidend dafür, wie Angehörige mit der Pflege starten, ist die Vorbereitung. Auch wenn es schwerfällt, sollten sich Angehörige schon frühzeitig mit dem Thema Betreuung und Hilfe im eigenen zu Hause auseinandersetzen und sich bei einer Beratungsstelle über mögliche Vorgehensweisen zu informieren.
Beratung ist unverbindlich und unerlässlich
Mit dem Erreichen des 50. Lebensjahres wird das Thema Älterwerden zum ständigen Begleiter. Dabei handelt es sich häufig nicht um das eigene Alter, sondern um das der Eltern. Viele Menschen mit 70+ sind aktiv und mobil. Es ist eine Generation mit einer hohen Lebenserwartung. Dennoch wird irgendwann der Punkt kommen, an dem die Eltern ihren Alltag nicht mehr allein organisieren können. Das Laufen fällt schwerer, der Körper macht nicht mehr alles mit und manchmal stellt sich Vergesslichkeit ein. Angehörige sind in diesem Fall gefordert, sich sensibel und respektvoll mit dem Thema Pflegebedürftigkeit zu befassen.
Gut ist natürlich, wenn es möglich ist, gemeinsam mit allen Beteiligten eine Lösung zu finden, die den Wünschen der pflegebedürftigen Person entsprechen. Leben die Eltern gemeinsam als Paar, ist es für beide nicht einfach, sich zu trennen, weil einer der beiden in ein Pflegeheim zieht. Eine Partnerschaft auf Besuchsebene zu führen ist kaum vorstellbar. Hinzukommt, dass niemand gezwungen werden möchte, das vertraute zu Hause zu verlassen. Viele Menschen mit Pflegebedarf empfinden ihre Situation als Verlust der Selbstbestimmung und das ist eine große Belastung.
Ansprüche geltend machen
Viele ältere Menschen möchten niemandem zur Last fallen und die Inanspruchnahme von Leistungen des Sozialsystems fällt ihnen schwer. Angehörige sollten in dieser Phase begleitend zur Seite stehen. Dies beginnt mit der Einstufung des Pflegegrads durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Viele Krankenkassen bieten zu diesem Thema umfassendes Informationsmaterial an. Wird die häusliche Pflege für ein oder beide Elternteile organisiert, so ist ein Anruf bei der zuständigen Krankenkasse sehr hilfreich. Im Anschluss sollten Pläne gemacht werden, wie das Haus oder die Wohnung altersgerecht oder barrierefrei eingerichtet werden kann.
Pflegebetten, Hilfsmittel für die Dusche und zum Anziehen unterstützen bei der Versorgung und schenken Pflegebedürftigen die Möglichkeiten, etwas selbstständig durchzuführen. Es lohnt sich bei der Krankenkasse nach Möglichkeiten der Kostenübernahme zu fragen und sich über die Wege, diese Ansprüche geltend zu machen, zu informieren.
Ambulanter Pflegedienst und Betreuungskräfte
Pflegende Angehörige ohne eine spezielle Ausbildung im Pflegebereich übernehmen die Maßnahmen, die die Lebensqualität erhöhen. Sie kochen Essen, führen Gespräche, schütteln Decken und Kissen auf und übernehmen alles, was in den Bereich Kümmern fällt. Die medizinische Versorgung übernehmen Pflegefachkräfte. Über einen ambulanten Pflegedienst kommt täglich eine Fachkraft nach Hause und übernimmt die medizinische Versorgung. Zusätzlich können Betreuungskräfte die häusliche Pflege unterstützen.
Ausgebildete Kräfte bringen Beschäftigung in den Alltag. Basteln, Spielen, Rätseln oder ein Spaziergang. Die Aktivitäten sind individuell auf die Möglichkeiten der Pflegeempfänger abgestimmt und stärken die kognitiven Fähigkeiten. Inwieweit Angehörige die körperliche Pflege übernehmen möchten und können, ist eine persönliche Entscheidung. Neben der fachlichen Kompetenz wird auch mentale Stärke benötigt. Es ist für beide Seiten nicht einfach, wenn die Körperpflege von Familienmitgliedern übernommen wird.
Pflegen ohne Selbstaufgabe
Auf die Pflege von Angehörigen ist niemand vorbereitet. Liebe und Verbundenheit zur pflegebedürftigen Person können zu einer emotionalen Belastung führen. Es ist daher wichtig, im sozialen Umfeld über die mögliche Verteilung von Aufgaben zu sprechen. Wer kann etwas übernehmen und wie viel Zeit steht dafür zur Verfügung? Wichtig ist auch, dass die Person, die den Hauptteil der Pflege übernimmt, hinreichend Unterstützung für ihre eigenen Angelegenheiten hat. Diese Gespräche im Familienkreis sollten ohne Druck und Wertung geführt werden.
Angehörige, die etwas weiter weg wohnen, leisten schon einen wertvollen Beitrag, wenn sie einige Stunden Gesellschaft leisten können. Wichtig ist, dass die Verantwortung für die Pflege nicht bei einer Person liegt. Übernimmt der Ehepartner die Pflege, ist dies eine Aufgabe für 24 Stunden täglich. Hier müssen Auszeiten eingeplant werden können, damit die Pflegenden Zeit für sich haben. Wer vor der Entscheidung steht, einen nahen Angehörigen zu pflegen, sollte sich mit dem Thema Resilienz befassen und Methoden entwickeln, die die eigene Stärke stabilisieren.
Langfristig denken
Pflege beginnt häufig mit dem kurzen „nach dem Rechten sehen“. Ist im Haushalt der Eltern noch alles in Ordnung, müssen Einkäufe getätigt werden oder wird eine Begleitung für einen Arztbesuch benötigt? Bei diesen Besuchen sollte sensibel und feinfühlig auf Veränderungen geachtet werden. Ältere Menschen neigen dazu, Dinge herunterzuspielen. Angehörige sollten aufmerksam sein und bei den ersten Anzeichen das Thema Pflege kommunizieren. Tritt ein echter Pflegefall ein, so wird die Pflege über viele Jahre ein Teil des Lebens in der Familie.
Darauf sollten alle vorbereitet sein und frühzeitig mit der Organisation beginnen. In der häuslichen Pflege kommt es häufig zu der Konstellation, dass Frauen den Hauptteil der Aufgaben übernehmen. Viele reduzieren aus diesem Grund ihre Stundenzahl im Beruf. Ein kleiner finanzieller Ausgleich erfolgt über die Beantragung der Pflegezeit. Die Versorgungslücken in der eigenen Altersvorsorge werden dabei nicht berücksichtigt. Familienpflegezeit kann für maximal zwei Jahre beantragt werden. Die Pflege von Angehörigen kann sich jedoch über wesentlich längere Zeiträume erstrecken und sie kann mit finanziellen Einbußen einhergehen. Die eigene Finanzplanung und die Altersvorsorge müssen bei Bedarf neu ausgerichtet werden.
Ist häusliche Pflege Frauensache?
Die Zahlen und Statistiken zur häuslichen Pflege sehen einen außergewöhnlich hohen Anteil von Frauen. Ehefrauen, Töchter und Schwiegertöchter, Enkelinnen oder Freundinnen übernehmen einen Großteil der Aufgaben. Die Ursachen liegen vermutlich darin, dass in vielen Haushalten das Gehalt des Mannes die Lebensgrundlage sichert. Der finanzielle Ausgleich für die Pflege ist zu gering, als dass Familien auf das Einkommen verzichten könnten. Die finanzielle Unterstützung während der Elternzeit ist höher und hier ist es mittlerweile selbstverständlich, dass Väter Zeit mit ihren Kindern verbringen. Ein großes Problem ist sicher das gesellschaftliche Rollenverständnis, dass Männer nicht in der Pflege von Angehörigen sieht und wo ein Umdenken wünschenswert ist.